„This is it: Flood the zone with shit“. Trumps Ex-Berater Steve Bannon hat diese Strategie geprägt. „Zone Flooding“ unterminiert unsere menschlichen Fähigkeiten Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Was richtig ist und was nicht, ist nicht mehr zu unterscheiden. Das verführt zu Leichtgläubigkeit.
In Zeiten von Krisen, da kommt Sie wieder: Die Angst.
Angst verführt uns zu vorauseilendem Gehorsam. Zurückgehende Gewinne, eine lahmende Konjunktur, Oligarchien in ehemalig verbündeten Ländern, die uns zu Aufrüstung zwingen, Wegfall der Planbarkeit, radikale Umbauschritte selbst in den größten Unternehmen. Wenn die Kettensäge angesetzt wird und der Nachrichtenstrudel uns erfasst, werden wir zunehmend fremdgesteuert. Unser bewusstes Handeln wird unterminiert, da Ängste klares Denken erschweren, wenn unser Wohlstand angegriffen wird.
In Zeiten des „Zone Flooding“ wissen wir häufig nicht mehr, an welchen Glaubenssätzen wir festhalten sollen. Gemeinsame gesellschaftliche Errungenschaften werden in solchen Zeiten schnell geopfert. Dabei ist, wer lautstark mitmacht. Ansonsten wird man schnell zum Außenseiter.
Die Angst kehrt wie ein Reinigungsmobil der Berliner Stadtreinigung: vor allem gründlich. Sie kratzt an Privilegien, fokussiert auf die Kosten und hinterfragt den Einsatz aller Ressourcen sowie die Qualität. Sie ruft nach Effizienz, 80%-Lösungen – lieber schnell als durchdacht, Schluss mit Work-Life-Balance, Schluss mit Diversity & Inklusion, Schluss mit „being woke“. Oft verschwimmen in all den Ankündigungen und Meldungen in der „gefluteten Zone“ die Prinzipien von Ursache und Wirkung. Quantifizierbare Ergebnisse sind auf dem Vormarsch.
Die messbare Effizienz ist die neue Regelung, die, seitdem es in den USA das Department of Government Efficiency (DOGE) gibt, auch bei uns als Maßstab Einzug hält. Das Team steht nicht mehr im Vordergrund. Die Leistung des Einzelnen wird bewertet, im Fall des DOGE werden Entscheidungen über die Weiterbeschäftigung nach 15 Minuten gefällt. „Fail Fast, Fail Forward, Fail Better“ lautet das Motto.
Die wahren Motive für den vermeintlichen Fokus auf Effizienz sind oft versteckt. Mit Methoden aus der Zukunftsforschung wie der Causal Layered Analysis (CLA) entlarven wir schnell, dass hinter dem Streichen von Home-Office-Regelungen nicht etwa Effizienzsteigerungen stehen. Denn der schnelle Wegfall einer großen Anzahl von Angestellten sorgt in der Regel erstmal für steigende Betriebs- und Energiekosten. Aber das Wegekeln von Mitarbeitenden sorgt dafür, dass diese ohne Abfindungen freiwillig die Organisation verlassen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Nach-oben-Buckeln und Nach-unten-Treten: Letzteres wird zum Gemeinschaftssport. Schon Deichkind formulierten mit dem Song „Bück dich hoch“, wie es funktioniert. Das Erstaunliche dabei ist, wie die Forschung von Prof. Fabiola H. Gerpott und Prof. Niels Van Quaquebeke bestätigt, dass dieses Treten in eine Richtung auch noch Energie spart[1].
Wirkung entsteht nicht per Definition. Auch unsere Energie ist begrenzt. Da mag ein Sergey Brin definieren, dass ein richtiger Arbeitnehmer seinen Sweet Spot bei 60 Stunden pro Woche hat – da mag einer Elon Musk als Beispiel dafür nehmen, dass man seine Liege am besten gleich am Arbeitsplatz aufbaut. Oder man führt all jene asiatischen Unternehmen an, die Werkswohnungen anbieten, damit Essen, Schlafen und Arbeiten möglichst an einem Ort stattfinden.
Die Frage ist: Wie lange hat der Angestellte diesen Arbeitsplatz? Wie lange hält er dort durch? Ist es dort möglich, langfristig eine Work-Life-Balance zu halten, eine Familie zu gründen und persönlich zu wachsen? Was passiert, wenn das „Humankapital“ dabei zerbricht? In all den Betrachtungen fehlt das echte Leben: das persönliche Glück, die Erfüllung und die Liebe, die wir Menschen empfinden können. Wir müssen uns wie immer entscheiden: Wollen wir kurzfristig optimieren oder langfristigen Erfolg anstreben?
Solange Organisationen die Gesundheitskosten auf die Allgemeinheit abwälzen können, werden sie nicht nachlassen, die Langsamen, die Müden, die Wehrlosen auszusortieren. Sie greifen den sozialen Zusammenhalt an und erkennen den Wert eines gut funktionierenden Teams nicht – auch wenn der Einzelne nicht immer „fully efficient“ arbeitet.
Diesen Krisen von heute – und erst recht denen von morgen – begegnet ihr am besten mit einem starken Team.
Solange Organisationen die sozialen Dimensionen nicht als wichtig erachten, bleiben die UN-Nachhaltigkeitsziele nur Schein. Denn nachhaltiges Personalmanagement bedeutet, nicht nur die kurzfristigen Bedürfnisse und Ziele im Blick zu haben, sondern auch die langfristigen Auswirkungen auf die Mitarbeitenden, die Gesellschaft und die Umwelt mitzudenken.
Langfristigkeit bedeutet die Förderung und den Schutz der Menschenrechte, der sozialen Gerechtigkeit, der Inklusion und der Vielfalt. Sie bedeutet auch die Kompetenz, auf individuelle Bedürfnisse eingehen zu können. Schaffen wir das, dann sind wir als Team und als Organisationen wirksam und erfolgreich.
Ich frage also erneut: Wollen wir, bloß weil wir Angst verspüren, uns einfach anpassen? All unsere sozialen Errungenschaften opfern? Dem sozialen Miteinander keine Chance mehr geben, weil dessen Effizienz nicht messbar ist?
Fehlende Einigkeit unter uns als Gesellschaft sorgt dafür, dass Wohlstand einseitig umverteilt wird und soziale Errungenschaften geopfert werden. „Zone Flooding“ nutzt unsere Leichtgläubigkeit aus und beherrscht nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft. Arbeitsprozesse werden immer weiter automatisiert. LLMs erledigen geistige Arbeit in einem Bruchteil der Zeit, die ein Mensch dafür braucht. Die Leistungsspirale sorgt dafür, dass wir uns weltweit in einem Standortwettbewerb sehen, der anscheinend nicht mehr zu gewinnen ist – in bizarrer Weise für niemanden, denn immer ist jemand anderswo schneller, besser, billiger, effizienter.
Gegenwärtig dreht sich in der öffentlichen Diskussion alles um die Arbeitszeit. Die Asiaten arbeiten mehr, die Amerikaner haben fast keinen Urlaub, und wir Deutschen haben es verlernt, zu arbeiten – weniger Freizeit, weniger Urlaub – und außerdem müssen wir auch noch sparen. Müssen wir das wirklich? Sind nicht all unsere Errungenschaften eine gesellschaftliche Investition? Wollen wir immer nur kurzfristig optimieren? Wollen wir die soziale Abwärtsspirale in Kauf nehmen, die damit für die meisten Menschen einhergeht? Denn dem Kapital ist die Rendite immer zu niedrig! Brauchen wir wieder eine Pandemie, um uns vor Augen zu führen, dass Arbeit auch von zu Hause aus funktioniert?
Es ist an der Zeit, sich Zeit zu nehmen! Was ist euch wichtig? Welche sozialen Errungenschaften verteidigt ihr trotz der Krisen und trotz der eigenen Angst?
Wollen wir gemeinsame langfristige Zukunftsbilder und Strategien entwickeln? Falls ja, dann haben wir die Expertise. Sprecht mit uns!
Herzlichst, André Winzer
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Über den Autor
André Winzer studied International Business Administration in Frankfurt (Oder) and Jönköping, is a certified mediator, and served as Technology Exploration Scout for Deutsche Telekom AG. He founded Schaltzeit GmbH in 2006, co-founded the Advanced Foresight Group in 2012, studied Future Studies at FU Berlin in 2013, and since October 2024 has been a lecturer at Dresden University of Applied Sciences, as well as a member of Kapitel21 and the Zukunftsforschung e.V. network.
[1] Gerpott, F. H./Van Quaquebeke, N. (in press): Kiss-Up-Kick-Down to Get Ahead: A Resource Perspective on How, When, Why, and With Whom Middle Managers Use Ingratiatory and Exploitative Behaviors to Advance Their Careers, Journal of Management Studies https://doi.org/10.1111/joms.12855